Lat. parere: gehorchen, befolgen
Lat. parare: bereitmachen, (sich) vorbereiten
Halbe Parade , Parade- dieser Begriff ist jedem Reiter wohl schon aus den ersten Unterrichtsstunden bekannt. Doch was ist eigentlich eine Parade? Woher kommt die Idee, mit der Hand auf das Pferd einzuwirken , um etwas zu verändern? Und was verändert die Parade eigentlich im Pferdekörper? Was genau ist der Sinn dieser Begrifflichkeit und worin bezieht sie sich auch heute noch auf ihren lateinischen Wortlaut ?
Zuerst einmal muss klar sein, dass, obwohl vermeintlich eine Tätigkeit mit der Hand, die Parade die Arbeit mit der Hinterhand des Pferdes ist. Den Pferdekörper zu unterteilen und zu denken, dass eine Einwirkung auf Nasenrücken, Zunge, Unterkiefer, Schädel und Genick losgelöst vom restlichen Pferdekörper sein kann ist ein großer Trugschluss. Wir arbeiten immer mit dem ganzen Pferd, auch wenn vermeintlich nur ein Teil geformt wird. Der Körper des Pferdes ist ein aufeinander eingestellter Organismus , wie ein Schweizer Uhrwerk muß jedes Rädchen an seiner Stelle seinen ihm zugedachten Dienst erfüllen, um den Mechanismus im Ganzen funktional am Laufen zu halten. So können schon minimale Abweichungen und Balanceverschiebungen dazu führen, dass einzelne Körperbereiche sich anders bewegen. So eine Balanceverschiebung – im positiven Sinn- ist auch die Parade.
„Das ganze und einzige Ziel der sogenannten alten Reitkunst war und besteht noch- die geborenen Rückengägner zu conserivieren, mäßige vermehrt auszubilden und reine Schnekelgänger zu Rückengängern umzuwandeln, denn sämmtliche Lektionen und die sogenannten Schulen bezwecken nichts anderes, als das Pferd schwunghaft zu machen." B.H. von Holleuffer
Eine Parade ist etwas, was im Rücken des Pferdes ebenso passieren muss wie in den Hinterhandgelenken.
KEINE Schulparade: das so wie hier ungeschulte oder das falsch geschulte Pferd "hebelt sich heraus", macht also Unterhals und Rücken fest und kippt viel zu stark im Becken ab. Somit ist Schwung die dreidimensionale Schwingung der Wirbelsäule unmöglich.
Diese Einwirkung kann in verschiedenen Abstufungen erfolgen, von der Achtelparade, die dem Reiter die Möglichkeit gibt, ins Pferd hineinzuhorchen und schon nach Verspannungen zu forschen, wenn sie noch im Entstehen begriffen sind. Die Viertelparade , die minimale Veränderungen im Pferd bringt, die die Frage stellt: „Könntest Du?“, „Würdest Du?“. Die Halbe Parade, die das Pferd ein klein wenig dazu bringt, die Vorhand zu entlasten, während es die Hinterhand mehr zum Schwerpunkt bringt , die den Wechsel von einer Gangart in eine niedrigere einleiten kann oder das Pferd in der Versammlung wieder ein wenig mehr auf die Hanken bringt. Und dann die ganze Parade, die Campagneparade, die das Pferd ganz zum Stehen bringt, indem man den Vorwärtsimpuls der Hinterhand mit Hilfe der Hand zum Stillstand bringt.
Darüber hinaus gibt es auch noch die Schulparade, die dem Pferd hilft, diesen Impuls in die Hankenbeugung zu kanalisieren. Ab diesem Ausbildungsstand ist es dem Pferd möglich, den treibenden Impuls des Reiters auch mit dem stehenden Hinterbein zu nutzen.
Wie wird Kraft übertragen? Ab dem Ausbildungsstand Schulparade beugt das PFerd auf den treibenden Implus hin das Hinterbein, statt an mehr Tempo zu denken
Wir finden die Arbeit mit der Parade und so auch die Arbeit mit der geschulten Parade oder Schulparade über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende immer wieder in der Reitliteratur und in Abbildungen der darstellenden Kunst von zweckgebundener Kriegsreiterei oder Reitkunst , die ein Publikum erreichen soll. Von den Skythen bis zum Vaqueroreiter, von den alten Griechen bis zum neapolitanischen Krippenspiel – überall sind Pferde in der Schulparade abgebildet.
Der Moment vor der Levade, ein festgefrorener Moment in der Galoppade und die Form, die man dem Pferd zum optimalen Angaloppieren schon im Stand gibt, der Impuls, der das Pferd immer wieder in den Hanken nachgeben lässt, den Schub abkürzt und die Tragkraft maximiert –all das ist die Schulparade. Optisch sieht es so aus, als würde das Pferd vorne piaffieren, während es mit den Hinterbeinen eine Levade ausführt. Es setzt sich in der Hanke und beugt alle Gelenke der Hinterhand, daraus balanciert es seinen Brustkorb in einer der Biegung entsprechenden Rotationsrichtung. Richtig gearbeitet, hat sie großen Benefit für das Pferd: Mal hilft sie, die Hankenbeugung zu verbessern, mal kann sie helfen, den Brustkorb besser zu heben, mal positioniert sie die Hüfte des Pferdes vorteilhafter, mal erzeugt sie das so wichtige Vorwärts im Pferdekörper, indem sie ein Herausschieben des Hinterbeins verhindern kann.
Schulparade bei Phidias : schon seit mehr als 2000 Jahren ist der Bewegungsablauf der Schulparade etabliert und wird genutzt
Einer der Letzten, der die Schulparade in seinem Werk „ Von der Koppel bis zur Kapriole “ ( 1946, Olms-Verlag) beschreibt ist Waldemar Seunig. Er unterschiedet deutlich zwischen ganzer Parade/ Campagneparade und der Schulparade, die , so seine Meinung:
„ … sich desto mehr der Vollkommenheit nähert, je größer der Anteil der Last ist, den das Pferd mit gebeugter Hinterhand aufnimmt und je länger es in dieser versammelten Haltung bei sicherer, leichter Anlehnung und vollkommener Aufrichtung und Beizäumung unbeweglich zu verbleiben imstande ist. [...] Die Hilfe zu dieser Schulparade wird- ausreichende Schwungentwicklung vorausgesetzt- in einem vom Kreuz ausgehenden Straffen des Sitzes bestehen. Zugleich erhält der beiderseits aus gestreckt anliegendem Bein wirkende Schenkel die gebeugt unterlaufene Hinterhand unter der Last. Dabei muß der gleichzeitige , auf beide Hinterbeine wirkende Zügeldruck von diesen widerstandslos aufgenommen werden. Im Sinne einer bei vollster Erhaltung des Strebens nach vorwärts bis an die Grenze der Tragfähigkeit gehenden Schulparade ist die Levade - eine mit nach vorwärts gerichteter Tendenz stattfindende schulmäßige Hebung- deren zur Höchstform entwickelte Steigerung.“
Baron Reis von Eisenberg arbeitet hier die Schulparade in deutscher Versammlung gerade-geradegerichtet; dabei bleiben beide Vorderbeine im
Bodenkontakt. Die Gefahr bei dieser Aufrichtung: der Unterhals wird angespannt, das PFerd trainiert Stütz- und nicht Tragemuskulatur
Ein stärkeres Beugen im Hüftgelenk führt in der Regel zu einem tiefer balancierten Brustkorb, bei dem Vorderbeine keinen Platz mehr zwischen Brustkorb und Boden haben.
Wir kennen so elf verschiedene Schulparaden, die sich aus der Schwungrichtung des Brustkorbes aus der Hinterhand erklären: links geradegerichtet, versal ( schulterhereinartig), traversal ( kruppehereinartig) , renversal (kruppeherausartig), pirouettenartig , rechter Hand ebenso und die gerade-gerade Schulparade, wie wir sie bei Baron Reis von Eisenberg oder Ridinger sehen und die letztlich in der geraden-geraden Levade oder dem Mezair ihre volle Lastaufnahme findet.
Ritter Gottlieb von Weyrother, Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule in Wien , arbeitet die Schulparade vom erhöhten Podest aus
Bildquelle: Wikipedia
Arbeit am "Vortheil" mit Finn: Erlernen von Hilfen aus Reiterposition
Friederich von Krane ( 1812- 1874 ) beschreibt dem Leser die korrekte Ausführung der Parade sich in seinem Werk „Die Dressur des Reitpferdes ( Campagne und Gebrauchspferdes, Münster, 1875) mit diesen biomechanischen Abläufen im Pferdekörper und deren Erarbeitung:
„Schliesslich erlaube ich mir die Bemerkung, dass es sehr nützlich ist, das Biegen der Hinterhand auf der Stelle zu üben. Man beginnt damit, die Hinterbeine untertreten zu lassen, wie zum Zurücktreten, dann aber statt durch Überwiegen der Zügelhülfe ein Zurücktreten zu veranlassen, mit gleichstarken Zügel- und Schenkelhilfen fortzufahren, die Versammlung zu erhöhen, wobei das Körpergewicht die vermehrte Hankenbiegung fordert, bis eine Neigung zum Heben der Vorhand und ein Suchen des Gleichgewichts auf die Hinterfüsse erfolgt. Dies Heben der Vorhand kann nur sehr mässig sein, weil die weit untergeschobenen Hinterbeine, wie wir bereits sahen, nur eine sehr geringe Erhebung beanspruchen.“
Von Krane präzisiert und erklärt , wie die Parade zu erfolgen hat:
„ Es gehört zur Parade auf der Hinterhand indess ein künstliches Auffangen des Gewichts und zwar bedarf es:
1) des Unterschiebens der Hinterbeine unter den Leib,
2) des Verlegens des Schwerpunktes durch Zurückneigen des Leibes über die Beine hinweg nach rückwärts,
3) des Biegens der Hinterbeine, wodurch die Erniedrigung der Hinterbeine vermehrt und so eine starke Senkung des Rückens herbeigeführt, und die Last den Beinen zugeführt wird."
Unsere Amy, hier als vierjähriges , selbstverständlich ungeschultes Fohlen, nutzt Balanceverschiebungen zum Abfangen ihres Gewichts im Spiel ganz instinktiv. Aber: eine Schulparade sieht man hier nicht, dafür mangelt es am Wesentlichen, nämlich der gesunden Rückentätigkeit, dem Schwung. Dafür ist lange und sorgfältige Schulung nötig, die aber erst begonnen werden darf, wenn das Pferd ausgewachsen ist.
Eine geschulte Lektion unterscheidet sich von einer andressierten Lektion oder einem Zirkustrick auch vor allem dadurch, dass ihr Nutzen auch auf andere Lektionen übertragen werden kann. So kann die mit Hilfe der Schulparade erlernte Hankenbeugung die Versammlung und auch und vor allem die Grundgangarten verbessern, was einem Zirkustrick wie zum Beispiel der „Bergziege“ , dem „Steigen“ oder dem „Verbeugen“ nicht gelingen kann. Der Sinn einer Schullektion liegt also immer im „Großen Ganzen“ begründet und steht nicht als Selbstzweck, beziehungsweise erschwert eine weitere Ausbildung des Pferdes nicht, weil sie kontraproduktiv sein könnte. Was eine geschulte Lektion das Pferd lehrt, ist das Verstehen von natürlichen und naturgegebenen Bewegungsabläufen, die mühelos vom Stehen in den Schritt oder Schulschritt, vom Schritt in den Trab, die Piaffe und Passage und vom Trab in den Galopp, den Schulgalopp oder das Térre-à-Térre mitgenommen werden kann: es versteht SCHWUNG.
Vom Schulschritt zur Schulparade zum Schulgalopp- das Pferd muss verstehen,m wie es die Elemente einer Lektion nutzen kann, um aus ihnen in allen Gangarten Ganzkörperorganisationsmuster entstehen zu lassen. Nur dann, wenn diese Arbeit taktrein ist und sich auf alle Grundgangarten übertragen läßt, hat es etwas über Schwung gelernt
Je bewußter das Pferd die Parade durch seinen Körper laufen lässt, desto effektiver wird die Arbeit mit der Schulparade sein. Es lernt, mit seinen Kräften hauszuhalten und findet seine Mitte, ein unschätzbarer Gewinn für die Balance. Schon Xenophon fordert, man solle das Pferd stets so arbeiten, dass es sich " stolz und schön fühlt, so, wie es in den Augen anderer Pferde stolz und schön " aussieht. Das ist wesentlich: das Pferd muss Benefit von dieser Arbeit haben, muss im Inneren verstehen, wie sehr die Parade ihm zur Selbst- Haltung ( weiter zu diesem Thema geht es HIER ) verhelfen kann, muss sie für sich einsetzen können, um dann , gemeinsam mit dem Menschen , Reitkunst entstehen zu lassen.
Ein Pferd in diesem Zustand erlaubt es dem Menschen den Hallenboden in der Hand spüren, beide vereinigen sich in diesem Moment völlig in ihrem Wollen und Tun. Diese Durchlässigkeit wird niemals mit Kraft zu erreichen sein, im Gegenteil geht es um ein Minimieren der Einwirkung, um die Arbeit am gemeinsamen Verschmelzen, dem zentaurenhaften Eins-Werden von Mensch und Pferd durch die Reitkunst.
Welche Last wird welchem Bein zugeführt? Die Langzügelarbeit verschafft andere Perpektiven.
„ Die Parade oder das Stillhalten im Galopp, muss etwas stark mit Anziehung der Zügel und Zurückhaltung des Leibes, jedoch nicht affektiert, öfters auch nur mit der Stimme geschehen, damit das Pferd auf einmal auf der Stelle anhalte…“ Ridinger
" Die Parade im Galopp rechts"- eine Falkade bei J.E. Ridinger
Noch einmal in Zusammenfassung: die Schulparade zeichnet sich dadurch aus, dass der mit der Reiterhand gegebene Impuls durch jedes Gelenk des Pferdekörpers zwischen Schädel und Hinterfuß fließt, wie auf einer Perlenkette vom Nasenrücken oder, je nach Zäumung dem Unterkiefer , auf das Genick und von dort in den Atlas, Axis und alle weiteren Wirbel weitergegeben wird, von dort aus in die großen und schließlich die kleinen Gelenke der Hinterhand geführt wird und sich nirgendwo Widerstände befinden. Dann ist sie eine der Lektionen, die dem Pferd etwas Wesentliches über seine Balance und seine Kraft beibringen kann.
Das Balancieren des Brustkorbes aus den aktiv gebeugten Gelenken der Hinterhand macht das Pferd tragstabil
Bei der Erarbeitung der Schulparade sucht man sich am besten kompetente Hilfe, damit man nicht über einen der vielen Fallstricke auf dem Weg stolpert und mühsam oder unmöglich für Pferd und Reiter einen Weg aus dem Dunkel suchen muß. Auch muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass das Pferd bei falscher Erarbeitung großen Schaden nehmen kann- so wie bei allen Lektionen der Hohen Schule.
Stefanie Niggemeier
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