Trainerst Du Dein Pferd kaputt?

Trainierst Du Dein Pferd kaputt?

Die Strukturen des Bewegungsapparates werden durch falsches Training stark in Belastung genommenm bis sie schließlich verschleißen.


Angenommen, wir würden uns im Fitnessstudio treffen und wir alle hätten die Aufgabe, 150 kg zu stemmen- wer von uns wäre dazu in der Lage? Oder wir träfen uns im Ballettstudio und die Aufgabe wäre eine schöne Kombination aus Sprüngen und Spagat? Wer von uns könnte das wohl? Doch eindeutig nur derjenige, der im Vorfeld seinen Körper, in der Regel über mehrere Jahre, darauf vorbereitet hat.


Es gilt, den Körper vorsichtig an Leistung heranzuführen, wenn er gesund bleiben oder werden soll. Dazu gehören Dinge wie Körperwahrnehmung, Wahrnehmung von Bewegunsabläufe und ein Erweitern von Bewegungskompetenz und Körperintelligenz. Das beginnt zwangsläufig mit alltäglichen Dingen, wie zB dem gesunden Gehen oder Laufen. Auch beim Pferd!


Und die Anderen? Unweigerlich würde Schaden entstehen, weil die Strukturen im Körper überlastet worden wären, Muskeln nicht stark genug, Faszien nicht elastisch genug wären, um solch eine Leistung zu vollbringen.
Wenn jetzt jemand neben uns stünde, der uns mit Druck dazu bringen wollen würde, dieses Gewicht zu heben, diese Pirouette zu springen, der sich uns gegenüber „ durchsetzt“: könnten wir es dann? Was würden wir tun? Wie würden wir uns fühlen?

Zuneigung und Verantwortung für das Pferd zeigen sich vor Allem um Umgang mit ihm. Trainings ist nichts Abstraktes, sondern der Inhalt von Beziehung. Ist dieser liebevoll? Nur das zählt für das Pferd


Klar, etwas zu heben, zu springen, Gelenke zu strecken ist Teil unserer natürlichen Bewegungsabläufe, aber inwiefern ist eine Leistung in welchem Umfang abrufbar? Oder überhaupt in diesem Moment, in diesem Trainingszustand sinnvoll?


Nur, weil ein Pferd etwas tun kann, muss es das nicht tun müssen: Meine Amy mit ihrer ungeschulten Interpretation einer Ballotade. In der Arbeit noch ganz lange- wenn überhaupt jemals- kein Thema zwischen uns. 


Wann würden wir beginnen, kompensatorisch falsche Muskeln zu nutzen? Gelenke steif zu halten, weil Faszien nicht geschmeidig genug sind, um Beugung zuzulassen?

Wenn nun unsere tägliche oder zumindest regelmäßige Bewegung genau aus dieser Überforderung und Fehlbelastung bestünde, ist ein Schaden vorprogrammiert: die falschen Muskeln werden kontinuierlich angesprochen und somit aufgebaut, Bänder und Sehnen falsch unter Spannung gebracht, was zu Imbalancen oder gar Schiefen im Körper führt, Gelenke werden über Gebühr belastet und verschleißen.

Sind Faszien untrainiert, verfilzen sie nahezu. Aber : sind sie falsch oder auch zu viel beansprucht, verfilzen sie ebenfalls. Die goldene Mitte, das angemessene Bewegen allein hält sie gesund und elastisch. ( Quelle: R. Schleip) 

Im Spiel mit Artgenossen zeigen Pferde Bewegungen, die ihnen im Training so nicht möglich wären: die " emotionale Anbindun" ist eine andere. Pferde müssen wollen, was sie tun. In der Arbeit sind solche Aufgaben oft anders belegt. 


Wenn nun aber das Training darin bestehen würde, behutsam und sorgfältig nur kleine Hanteln zu heben, vorsichtig zu dehnen, zu schwingen, zu hopsen- und das unter der Anleitung von jemandem , der immer wieder wohlwollend Kleinigkeiten in Haltung und Ausführung sehr genau korrigiert, der Verständnis hat für Schwäche und Grenzen – das wäre doch sicherlich ein anderes Gefühl von Können und Stärke des eigenen Körpers, oder?
Für unsere Pferde ist es ganz genau so.
Wir nehmen an Pferden oft nur ihre Größe und Körperkraft wahr und vergessen darüber, wie empfindlich und fragil so ein Pferd ist. Besonders ist es überhaupt nicht selbstverständlich für ein Pferd, dass es einen Reiter tragen kann. Womöglich noch auf Balanceverschiebungen wie Kreislinien oder gar Seitengängen, von Übungen der Hohen Schule ganz zu schweigen!
Um dem Pferd solche Bewegungen gesund zu eröffnen, braucht es vorsichtige, jahrelange Schulung im Geist, damit es den Inhalt verstehen kann und keine Angst bekommt. Außerdem braucht es Schulung im Körper, nur weil es frei auf der Wieser ganz kurz Figuren zeigt, die der Hohen Schule, Seitengängen, etc. ähneln, sind es nicht die selben Bewegungsmuster, die wir in der Bahn formen. Das Pferd ist schlicht darauf nicht trainiert und braucht unsere jahrelange, wohlwollende Unterstützung, um sich so etwas zu einerseits zuzutrauen, aber sich auch damit keinen Schaden zuzufügen.

 


Schlechte Pferdeausbildung  und Trageerschöpfungssyndrom sind kein Privileg der Moderne: allerdings haben wir , anders als zu Zeiten Dürers, das Privileg, unsere Pferde heute nicht mehr nutzen zu müssen. Das ist eine so große Chance, es gut zu machen!


Umso mehr gilt das, wenn das Pferd bereits vorbelastet ist, Probleme mit dem Bewegungsapparat wie Sehen- oder Gelenksleiden, Hufrehe, Probleme mit der Wirbelsäule oder mentale Traumata hat.
So ist denn zum Beispiel ein Schulterherein eine tolle Übung, aber nur dann, wenn das Pferd sie wirklich ausführen kann, wie sie Gueriniere beschreibt. So ist die Piaffe absolut sinnvoll für ein Pferd, das in seinem Geist und Körper alle Elemente dieser Übung finden kann: klare Diagonale, in Anlehnung, alle Hankengelenke gebeugt, beide Vorderbeine entbunden, voller Takt und weich schwingender Rücken.So ist Galopparbeit absolut sinnvoll für ein Pferd, das sicher im Dreitakt durchspringt, sich zur Hand hin aufspannen kann, beide Schultern am Rumpf entlanggleiten lassen kann, vom inneren und äußeren Schenkel getrieben werden kann, sprich, das „ ringfertig“ ist.

Das " ringfertige " Pferd findet seine Balance im Laufen, im Sprung des Galopps und das Ganze sogar auf der Kreisbahn- aber zu früh nach solchen Elementen gefragt, nimmt sein Körper großen Schaden. Manchmal ist dieser unwiderbringlich.

Genau- oder lieber gar nicht. Der Wert in einer Übung liegt nicht daran, " es irgendwie fast so zu machen". Konkret wird die Ausführung zum Beispeil des Schulterherein wörtlich beschreiben- das läßt keinen Interpretationsspielraum. Eigentlich....


Für alle anderen Pferde sind diese Übungen eben nicht gut, sie sind sogar in großem Maße schädlich und das umso mehr, wenn dazu noch ein zusätzliches Reitergewicht kommt.
Natürlich muss man dem Pferd auch Raum geben, Dinge auszuprobieren und natürlich ist nicht jeder Versuch von Anfang an ein Schuss ins Schwarze. Aber wenn das Pferd eindeutig zeigt, dass es diese Übung nicht kann oder nicht versteht, sprich: die Übung falsch ist für dieses Pferd in diesem Moment , dieses Training zu Verschlimmbesserung führt, und wenn auch nur in diesem Moment, dann müssen wir sehr genau prüfen, ob dies eine Arbeit zum Benefit für dieses Pferd ist. Nur, weil ein Pferd etwas schon konnte oder wußte muss es nicht heißen, dass diese Leistung jederzeit abrufbar ist. Ein Pferd ist kein Biomechanikautomat, sondern ein denkendes, fühlendes, oft zweifelndes Wesen, das jeden Tag in einer anderen Verfassung ist. Diese gilt es in kleinen Schritten systematisch zu überprüfen und nur ein winziges neues Element hinzuzufügen, das Kraft, Koordination und selbstredend auch Bildung des Pferdes erweitert und es nicht zwingt, sich falsch zu bewegen, weil wir es nötigen.
„ Aufeinanderfolgungsordnung“ heißt diese Methodik bei Pluvinel vor 400 Jahren: das Pferd muss sich so sicher sein wie möglich, seine aktuelle Verfassung wird durch Geübtes überprüft, seine Kompetenzen werden schrittweise und logisch erweitert, Gekonntes wird etabliert. Körper und Geist können sich in der Arbeit fallenlassen, weil keine unangenehmen Überraschungen passieren.

Die Arbeit bei Pluvinel umfasst einerseits eine Hilfeschule, andererseits eine Bewegungsschule. Bei beiden werden kurze, dem Ausbildungsstand angemessene Impulse gesetzt, um das Pferd zu Balance und Selbst-Bewußtsein zu führen...

...so dass es schließlich selbst an schwerste Aufgaben in Sachen Balance herangeführt werden darf.


Manche Pferde brauchen zuerst eine Hilfenschule, manchen muß man ihr Körpergefühl im Stand geben. Manche Pferde brauchen genaue Arbeit im Schritt, manche muß man behutsam im Trab an die Balance heranführen. Manche Pferde verstehen das Gebiss , die Zäumung nicht, hier muss man von vorne beginnen. Manche Pferde haben unentdeckte Probleme im Bewegungsapparat, hier muss man für Körperwahrnehmung in behutsamer, langsam aufgebauter Geraderichtung , vielleicht im propriozeptivem Arbeiten sorgen. Nicht davon ist ein Rückschritt, nichts davon langweilig, nichts davon ein Affront an die Fähigkeit des Menschen, das Pferd auszubilden.


Der Mensch lernt in der Regel im Laufe der Zeit vom Pferd viel mehr über Hilfengebung, als das Pferd vom Menschen über Hilfenverständnis- wenn ein Dialog zugelassen wird.


Zurückgehen zu dürfen an den Stand, als das Pferd sich sicher fühlte, seine Fähigkeiten und seine Kraft selbst- bewußt wahrzunehmen im Stande war ist kein Verlust von Arbeitszeit, ganz im Gegenteil! Dies erlaubt uns, noch sorgfältiger zu beobachten, genauer zu fühlen, besser zu verstehen, noch leiser gesprochene Töne zu hören. Basisarbeit ist nur für denjenigen langweilig, der sie und ihren Sinn nicht begreift- der Anfänger.
Experte ist, wer immer mehr über immer weniger zu erklären weiß.