Die Gerte

Die Gerte


Die Gerte ist einer der Artikel, die sich im Reitsportfachhandel und auf Pferdemessen , auch als Gewinn bei schon  Nachwuchsturnieren oder auch traditionell als „ Ehrbezeugung“ für Verdienste rings um das Pferd in besonders geschmückter und wertvoller Form nach wie vor größter Beliebtheit und größten Absatzes erfreut. Es gibt sie aus unterschiedlichen Materialien, in verschiedenen Längen und Ausführungen , je nach „ Einsatzgebiet“.

Gerten gab und gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen

So, wie die Einwirkung von Hand, Zügel, Körpersprache, etc, muss auch die Zeichengebung mit der Gerte gründlich gelernt werden.


Das ist deswegen so verwunderlich, weil Pferde die einzigen geliebten Haustiere zu sein scheinen, bei denen die Verwendung eines Stockes, um schlagen, oder in Reitersprache geschönt “ Touchieren “ zu können, falls das Pferd sich nicht unserem Willen beugt oder sich nicht angemessen verhält, in unserer Wahrnehmung völlig in Ordnung zu sein scheint. Es gibt nicht einen Tierbedarfsladen, in dem man Stöcke kaufen könnte, um Hund, Katze oder Meerschweinchen zu „touchieren“, schon die Frage danach würde wohl bestimmt zu Stirnrunzeln und Verwunderung führen. Warum ist unsere Wahrnehmung da bei Pferden heute immer noch so eine Andere?  


Das Gewöhnen an die Gerte bei Galiberto im Jahr 1650 : die Gerte wird als optische und akustische Hilfe eingesetzt, niemals wurde mit ihr ein Pferd " touchiert" oder anders geschlagen

Das exakt selbe Bild finden wir bei zahlreichen Reitmeistern, wie (hier im Bild) Schemels von Augsburg, Fayser, Löhneysen und Andere


Das war nicht immer so. Nicht, dass man nicht auch in früheren Zeiten den Pferden absolut grausame Dinge angetan hätte, aber die Verwendung der Gerte war hiervon in der Verwendung in der Pferdeausbildung ausgeklammert.

Vor allem in Barock und Renaissance verstand man die Hilfe der Gerte tatsächlich also eben solche: eine Hilfe.


Löhneysen setzt in der "Della Cavaleria" 1609 die Gerte in der Jungpferdeausbildung respektvoll und vorsichtig ein. Er nutzt sie als Verstärkung der treibenden Hilfen

...wohingegen Pluvinel sie ebenfalls um 1600 als Verstärkung der verhaltenden Hilfen einsetzt. Natürlich wird auch hier die Gerte nur als optische Hilfe eingesetzt. Zum Treiben nutzt Pluvinel die "Chambrière", eine Peitsche mit Lederschlag, dessen Geräusch auf dem Boden das Pferd antreiben soll.


Gerade dann, wenn wir uns um feine Kommunikation mit dem Pferd und eine Beziehung im Dialog bemühen, darf Angst beim Pferd keine Rolle spielen, wenn es sich in der Arbeit vertrauensvoll fallenlassen können soll. Wenn wir im Hinterkopf haben, dass jede Hilfe, wie von Krane sagt, nichts anderes ist also die Androhung einer Strafe und, wie Gueriniere weiß , einzig das Timing den Unterschied macht, ob ein Pferd mit unserem Tun hilfreiche oder strafenden Zeichen empfängt, dann ist die Hilfe mit der Gerte gerade eine der Tätigkeiten, die wir sehr dosiert und vorsichtig einsetzen müssen.

Eisenberg führt 1748 die Gerte beim Anreiten tief, um das Pferd eher zu animieren, an die Hand heranzutreten. Dies ist also eine Remontenhaltung für das junge Pferd in Ausbildung...

...während das geschulte PFerd mit hoch gehaltener Gerte in der Vorhand verhalten werden kann und treibende Hilfen von Sitz und Schenkel verstehen gelernt hat, mit der geschulten Hinterhand und tragfähigem Rücken zur Hand hinschwingt.


Hier beobachten sie auch die Richtung , in der eine Gerte bewegt wird und deren Auswirkung auf das Pferd: eine Gerte, die von oben nach unten geführt wird, wird oftmals strafender und verhaltender verstandena als eine von unten nach oben schwingende Gerte, die treibender und animierender wahrgenommen wird. Achtung: das ist nicht immer so, weil jedes Pferd Zeichen unterschiedlich interpretiert!


Galiberto nutzt 1650 die Gerte als Zeigestock in Verlängerung der Hilfen von Hand und Zügel, um dem Pferd eine Richtung zu weisen

Prizelius nutzt die Gerte als Verstärkung einer biegenden Hilfe, indem er "zwitschert"


Was den Alten Meistern dieser Epoche völlig fremd war, war das Touchieren oder Schlagen mit der Gerte, sie diente in der Regel als optische und akustische Hilfe: das „ Zwitschern“ war damals die gebräuchliche Tätigkeit, in der eine Gerte eingesetzt wurde.

Hier wird die Gerte in der Luft bewegt, so dass ein hoher, sirrender, „zwitschernder“ Ton entsteht, der zusätzlich zur Bewegung dem Pferd ein Zeichen gibt. So wird die Gerte zur Verlängerung des Zeigefingers des Menschen und kann eine Tätigkeit, zB Zügeleinwirkung oder Schenkelhilfe verstärken.

Manchmal wurde die Gerte auch ruhig an den Pferdeleib angelegt, um einen Rahmen zu geben, wobei jede Bewegung vermieden wurde.

Vor allem der "Ecuyer Principal", der allerhöchste Bereiter Frankreichs , Antoine de la Baume Pluvinel, war Vorreiter der Devise " Wissenschaft statt Gewalt" und sprach sich sehr deutlich gegen eine vor und in seiner Zeit noch als pädagogisch sinnvolle, gar notwendige Nutzung von körperlichen Strafen gegenüber Kindern, Frauen, Untergebenen und natürlich auch Tieren aus, indem er konsequent davon abriet, eine Gerte oder andere Hilfsmittel zum Schlagen zu nutzen, wenn man ein Pferd ausbilden will. Dies veränderte die Reitkunst nach ihm nachdrücklich und machte dann leider im Laufe der Zeit sehr zum Übel der Pferde wieder Rückschritte . Was für ein Prvileg, dass wir heute wieder aufgeklärt sein dürfen und Dinge in Frage stellen können, wenn wir Besseres ( wieder) lernen, so wie die Worte Pluvinels von vor fast 400 Jahren :


" Gnedigster König, wann ich sage, daß man aus gewissen Ursachen ein Pferdt im anfang nicht schalgen soll, hat diesens Verstand, so viel es sich tun lässet. Doch will ich noch weiter sagen, daß man sie allerdings nicht schlagen solle, weder im Anfang, ,mittel, noch ende, wann es möglich ist zu vermeiden , angesehen es viel besser ist, dass man sie mit der Güthe gewinne, als mit der Schärpfe, weil ein gaul, der sich frewdig tummelt, viel lieblicher anzusehen, als der es aus noth unnd zwang thut" A. de Pluvinel, 1628


Das Anlegen der Gerte an den Pferdekörper beruhigt und stabilisiert- wenn das PFerd diese Tätigkeit denn so wahrnehmen kann. Hier muss man es fragen und sich nach ihm richten.

Weniger ist manchmal mehr: wenn ein Pferd keine Hilfe mehr  bei etwas braucht, gibt es keinen Grund, Hilfen zu geben.


Eine Gerte war bei den Alten Meistern , vor allem nach Pluvinel nicht und sollte auch heute nicht sein:

-          Ein Instrument, mit dem das Pferd bei ( vermeintlichem ) Fehlverhalten abgestraft wird.

-          Ein Instrument, vor dem das Pferd sich fürchten gelernt hat. Wenn das Pferd die Gerte aus Angst nicht aus den Augen lassen kann, wird es sie niemals als Hilfe annehmen können.

-          Ein Instrument, bei dem mit Hilfe von Berührung vom Menschen ausgedachter „Touchierpunkte“ eine mechanische Reaktion des Pferdes hervorgebracht wird. Ein Pferd ist kein Biomechanikautomat, Ausbildung ist eine Frage der geistigen Bildung des Pferdes, nicht der Reaktionsfähigkeit. „Gesunde Bewegung entsteht im Rücken, in Gang gesetzt durch die Hinterbeine“, weiß Steinbrecht. Entkoppelt man Gliedmaßen, Körperbereiche und Co aus dem so wichtigen Ganzkörperorganisationsmuster, dann schult man Körperwahrnehmung falsch, trainiert Muskulatur und Gelenkstätigkeit vielleicht 180 Grad verschieden zur Tätigkeit von faszialen Ketten, siehe „Spanischer Schritt“ oder „Piaffe“ .

-          Ein Instrument, dass man „ aus Respekt vor dem Pferd“ aus Materialien wählt, die leicht brechen. Wobei sollte eine Gerte brechen, wenn man sie nicht zum Touchieren oder gar Schlagen einsetzt? Hier ist unbedingt ein Umdenken in Sachen Ethik und Tierschutz gefragt.

 

Wenn das junge Pferd von Anfang an lernt, dass ihm von einer Gerte nichts Unangenehmes droht, kann es sie schnell als das verstehen, was sie sein soll: ein Hilfsmittel zur Kommuniaktion

Gerade sensible Pferde reagieren empfindlich auf jede Zeichengebung. Hier ist reduziertes Handeln , vor allem mit dem Hilfsmittel Gerte gefragt.