"Zeigt her Eure Füße"- Hufe und Reitkunst

"Zeigt her Eure Füße..."- Hufe und Reitkunst

Eine korrekte Hufbearbeitung ist immens wichtig für die körperliche, aber auch geistige Balance des Pferdes.


Ohne Huf kein Pferd- das wissen die meisten Pferdebesitzer heute in der Regel.  Auch, dass der Huf nicht separat vom restlichen Körper betrachtet werden kann , sondern ein enorm wichtiger Teil des Ganzen ist, ist Vielen bewußt. Dass sich Futterumstellungen, Krankheiten oder Mängel in der Versorgung am Huf ablesen lassen,  ist schon lange bekannt. Dass die Hufstellung auch Auswirkungen auf die Balance und natürlich die Lebensqualität des Pferdes hat, ist logisch. Aber welche Rolle spielt die Hufbalance eigentlich für die Ausbildung des Pferdes ? Und wie war das mit dem Verständnis für die Hufbearbeitung bei den Alten Meistern?


Er hatte es einfach: der Schutzheilige der Hufschmiede, Sankt Eligius, nahm der Sage nach die Beine der Pferde einfach ab, beschlug den Huf und setzte das Bein wieder an. Eine für den Schmied sehr rückenschonende, wenn auch nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlene Methode



Schon Xenophon schreibt vor ungefähr 2400 Jahren über die Hufe des Pferdes:

" Zuerst sind also beim Körper die Hufe kritisch zu betrachten. Denn wie ein Haus wertlos und ohne Nutzen ist, wenn zwar die oberen Teile ganz schön gebaut sind aber nicht auf einem festen Baugrund sthehen, so ist auch ein Kriegspferd zu nichts nütze, wenn sonst alles an ihm wohlgestaltet ist, die Füße dagegen schwach und hässlich."

Das antike Gedankengut kam dann in der Renaissance über Italien nach Mitteleuropa, wo schnell die Reitkunst ein " must have" , wie man heute sagen würde, für den jungen Adligen wurde.  Ab ca. 1550 wurde es Mode, auf "Cavallierstour" zu gehen, sich in allen Belangen rings um das Pferd und die Reitkunst so ausführlich und gründlich wie möglich zu schulen. Die Gesunderhaltung des Pferdes spielte bei den Reitmeistern von Renaissance und Barock schon deshalb eine so große Rolle, weil Reitkunstpferde überaus wertvoll , ausgebildet nahezu unbezahlbar waren und man möglichst lange in den Genuss kommen wollte, ein geschmeidiges , gesundes, geschultes Pferd reiten zu können. Ein Alter von 30 bis 40 Jahren , in der ein Pferd problemlos noch gearbeitet werden konnte, war in dieser Zeit durchaus nicht ungewöhnlich.


Hochzeit der Reitkunst im Frühbarock: bei Antoine de la Baume Pluvinel sind Pferde so beschlagen, dass vor allem der hintere Teil des Hufe stabil und unterstützt wird



" Bei Prüfung der Pferdebeine sollte man sehr aufmerksam die Hufwände untersuchen. dicke übertreffen die dünnen in jeder Beziehung. Man achte auch darauf, ob die Hufe sowohl vorn wie hinten hoch oder flach sind. Hohe Hufe halten den sogenannten  Strahl weit vom Boden ab, während flache Hufe so aufliegen, dass sie mit dem stärksten Teil, ebenso mit dem weichsten des Hufe auftreten, genauso wie Menschen mit Plattfüßen" , weiß Xenophon. Genau beobachtet Xenophon das Gangbild des Pferdes, beschreibt daraus möglicherweise entstehende Schäden an den Pferdebeinen und hat Tipps zur Hufpflege bereit.  Wir lesen über zahlreiche Erkrankungen an den Pferdehufen bei von Sind, natürlich dem ersten Veterinär Frankreiches, Claude Bourgelat, und auch Winter von Adlersflügel. Interessant ist, dass das Krankheitsbild der Hufrehe bei ihnen zwar Erwähnung findet, jedoch eher stiefkindlich beschrieben wird als eine Krankheit unter vielen.


Nur diejenigen Hinterbeine können Last aufnehmen, die keine Schmerzen dabei bekommen: Barockreitmeister Reis von Eisenberg in der versammelnden Arbeit


Zwischen 1750 und 1800 dann ändert sich Pferdeausbildung extrem: vom höfischen , elitären Genuss der Reitkunst wird der Rennsport, ausgehend von England, ein Freizeitspaß für " Jedermann". Die adeligen Hofreitschulen verlieren sich mehr und mehr, statt Pferde anmutig in der Manege der altehrwürdigen Reithäuser zu tummeln, läßt man sich lieber im frischen Galopp den Wind um die Nase wehen. Höher, schneller, weiter sind die Maxime der Zeit. Der unter Napoleon entstehende " Tornisteradel" , nichtadelige  Männer aus dem einfachen Volk, die Titel , Ehren und Ländereien mit ihrem Einsatz als Soldat, der am Tornister erkennbar war, verdient haben, haben kein Interesse mehr an der langwierigen , komplizierten Ausbildung des Schulpferdes, sondern amüsieren sich beim Wetten auf entstehenden Rennbahnen oder nehmen an Steeplechase-Jagden teil. Mit der Veränderung des Zwecks der Ausbildung des Pferdes verändert sich auch der Sinn der Ausbildung: das Pferd wird für einen Zweck geschult, während vorher der einzige Zweck der Schulung das Pferd war.


Untergeschobenen Trachten, lange Zehe- das Ergebnis " moderner " Hufbearbeitung. Das letzte Drittel des Hufes ist kollabiert, die Haarlinie hat hier deutliche Abwärtendenz, die Laminarröhrchen biegen sich nach vorne. Diese Art der Hufbearbeitung kann unter Anderem ursächlich für Sehnenverletzungen sein.


Ab 1750 ändert sich auch die Hufbalance: waren vorher vor allem stabile, starke Strukturen im hinterenDrittel des Hufes zu sehen, gerade Haarlinien, unterstütze Trachten mit zum Teil ergänzenen Beschlägen, finden wir ab dem vermehrten Einsatz von Vollblütern eine ganz andere Hufform. Dabei ist es nicht die Rasse, die mit degenierten Hufen von der Natur gestraft ist, sondern sowohl die Kenntniss des Pferdebesitzers und- trainers  und dessen Schmiedes, als auch der Anspruch an die Gesundheit und die Gesunderhaltung des Pferdes: das harte Renngeschehen, vor allem im Steeplchase-Bereich ,bezahlten viele Pferde durch Unfälle mit ihrem Leben und zwar schon in jungen Jahren. Ob die Hufbalance dabei nun optimal war oder nicht, spielte eine eher untergeordnete Rolle: die Trachten schieben unter, die Zehen werden länger. Vermeintlich würde so der Vorgriff der Beine optimiert dachte man, in Wirklichkeit aber werden bei so einer Bearbeitung Hebel geschaffen, die den Bänder- und Sehnenapparat des Pferdes unnötig belasten. Da aber alle Vollblüter so bearbeitet wurden und das Englsichereiten mehr und mehr in Mode kam, wurde di Optik der Hufe als Mode mehr und mehr auch für andere Pferderassen übernommen und hält sich vielerorts noch heute. Ebenso kam die Mode auf, dem optisch früh reifen, aber in seinen Strukturen völlig unfertigen Vollblütern viel zu frühe Beschläge zu verpassen, eine Mode, die auch heute noch zu deformierten Hufen mit verkrüppelten Strukturen im hinteren Bereich führte: kollabierte Ballen, Strahlfäule, Trachtenzwang- die Liste ist lang. Anders die alten Meister: frühestens mit 4, meist jedoch erst sechsjährig ging das Pferd in die Arbeit und wurde auch erst dann beschlagen. Auch die Auswahl der Beschläge war enorm bis hin zu Eisen, die ein Gelenk unter der Zehe hatten, um die Hufbewegung nicht auszuschalten. Interessanterweise häufen sich denn auch in der Reitkunstliteratur ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend Hinweise auf ernsthafte, dauerhafte Lahmheiten und ein vermehrtes Auftreten von Hufrehe . Eine Folge der Ernährung ? Wirklich eine Wohlstandserkrankung ? Oder, wie manche Experten heute behaupten, wie bei rund 80 %  aller heutigen Rehefälle ebenfalls eine mechanische Rehe, erzeugt durch falsche Hufbearbeitung?

Tatsache ist: mit dem mehr und mehr Laien statt bestmöglich geschulter Reitmeister ihre "Künste" am Pferd ausübten, die zierlichen , für das Pferd so gesunden Bewegungnen der Hohen Schule nicht mehr "modern"  waren , sondern als alt und verstaubt galten, gibt es nachweisbare Veränderungen in Lebenserwartung der Pferde, eine Zunahme von Equipment wie Hilfszügeln, die den Pferdekopf in eine bestimmte Position zwangen und so aktiv auf die Balance einwirkten - besonders beliebt wurde das Martingal- und eine Zunahme von Laminitis und Hufrehefällen, die in der Literatur Erwähnung finden.


"Englischreiter" war eins der schlimmsten Schimpfwörter für de la Gueriniere. Für ihn war das in England aufkommende Steeplechase -Rennen das Sinnbild für den Niedergang der Reitkunst. Er beschwert sich schon 1733 über diesen seiner Ansicht nach pferdeverschleißenden Sport. Gut zu sehen: die Pferdehufe sind im hinteren Drittel ganz deutlich "abgeschnitten", die hier für die Hufbalance so notwendigen Strukturen sind nicht mehr vorhanden. Auch die Ausführung des Reitens kann in keiner Weise als pferdefreundlich angesehen werden.


Man kann also sagen, dass die Geschichte der Reitkunst auch ein bisschen die Geschichte der Hufbearbeitung spiegelt.  Die Frage, ob " modern" wirklich "pferdegerecht" ist, stellt sich zwangsläufig, wenn man sieht, wie sehr sich das Niveau der Pferdeausbildung innerhalb sehr kurzer Zeit verändert hat. Gleichzeitig stellt sich zwangsläufig die Frage, ob unsere heutigen Methoden der Hufbearbeitung nicht mehr und mehr Orientierung an der Vorstellung der Reitmeister von Renaissance und Barock finden sollten, die in der Lage waren, Pferde über Jahrzehnte gesund und leistungsfähig und vor allem leistungsfreudig zu halten.



"Die Anmut des jungen Pferdes ist wie die Blüte der Frucht- einmal vergangen, kehrt sie niemals mehr zurück", weiß Pluvinel schon 1625 in seiner "L´Instruction du Roy" .

Zur Gesunderhaltung gehört auch eine optmiale , individuelle Hufbearbeitung.